Die Handlung aus dem Nichts

Säkulare Schöpfung als Negativpoesie a

"Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut, und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes." G.W.F.Hegel

"Jetzt ist die Rolle des Schöpfers auf uns übergegangen! Wir suchen jetzt auf kybernetischen Wegen und haben zu warten, bis unsere eigene Stimme uns aus unserem kybernetischen Bilde im Es anrufen wird. Wenn das aber geschieht, dann sind wir es nicht mehr, was aus diesem Bilde spricht. Wir haben unsere Identität gewechselt." G.Günther

Es ist kein Anfang, wird der Anfang nicht gemacht.

Ist er dann, der gemachte Anfang, gibt es kein Zurück mehr. Nicht nur der Weg hin zum Vorher des Beginns ist versperrt, sondern auch die Sicht auf diesen Urzustand. So wird der Grund durch das Machen zum Ungrund1. Hat die Bewegung begonnen, treibt das Werden unaufhaltsam sein Spiel aus Entstehen und Vergehen. Die Regeln werden aufgestellt, befolgt und in ihrer Befolgung sogleich verworfen. Was in Befolgung dieser Regeln nicht nur lebt, sondern diese Befolgung erlebt, das erlebt sich die Verdammnis steten Regelverstoßes und erzeugt so Grund für neue Regeln. Der Begriff dieses Vorgangs ist Sünde. Das Ende der Sünde ist der Tod.

Als Jenseits der Sünde, unerreichbar allem Lebendigen, gilt die Einheit, wie sie vor dem Machen des Beginns war. Das ist das Thema der Mystik. Diese Einheit kann als Wiedereinkehr rückersehnt werden wie in den zyklischen Heilsgeschichten von Antike oder Buddhismus, sie kann als Einkehr vorersehnt werden wie in den linearen Heilsgeschichten von Juden, Christen oder Moslems.

Immer jedoch zeigt sich die Sehnsucht selbst als Antrieb hin auf das Ende der Entzweiung, das auch immer das Ende der Sehnsucht bedeutet. Oder anders: die Sehnsucht ist der Versuch einer Aufhebung dieser Entzweiung selbst. So ist sie stets unerfüllbar, denn das Werden nimmt sich nicht selbst zurück. Sie ist Sehnsucht auf ein Ziel hin, Richtung, und somit das Erlebnis von Zeit. Sie ist die Spur des ersten Machens, das den Anfang in die Symmetrie des Urseins trug, diese zerriß und eine Zeit aus Vergangenheit und Zukunft, sich selbst eine Richtung machte. Also hat sie sich selbst gemacht, indem sie ihr Ziel ins Auge faßte, und sie erhält sich im Blick eben auf dieses. Solange die Richtung bleibt, solange Zeit ist, bleibt die Sehnsucht. Diese Sehnsucht sind wir selbst, die wir sie verkörpert erleben.

Als der Hort des Anfangs gilt das Chaos2. Die totale Symmetrie, in der nichts voneinander unterscheidbar ist und nichts geschieden, vor allem aber nichts ist, das unterscheiden würde. Somit ist auch kein Nichts. In dieses Chaos wird der Anfang getragen als erste Unterscheidung. Symmetrie wird gebrochen, und aus dem sich selbst gleichen Sein wird ein komplexes Sein des Geschiedenen. Daß etwas wird, das ist selbst schon Markierung eines Symmetriebruchs, dem, der die Richtung der Zeit macht. Ein solcher Anfang hat keinen Grund, denn wäre ein Grund, so wäre der Grund schon etwas Geschiedenes. Das Machen des Anfangs erscheint im Mythos als Willkürakt der Schöpfung, in der Physik als spontane Symmetriebrechung, in der Soziologie als Handlung. All diese gelten als global irreversibel.

Ein solcher Bruch der Symmetrie, ob er Scheidung oder Unterscheidung heißt, ist auch immer schon der Grund des nächsten. Die geschiedenen Seiten des Seins stehen gegeneinander, können sich nicht erhalten ohne einander zu verschlingen. Als dieses Verschlingen bewahrt sich das Werden selbst, das Dritte gegen Sein und Nichts und den aus diesen weiter kondensierbaren Gegensätzen. Die Vergangenheit ernährt sich durch die Vernichtung der Zukunft. Wäre die Vergangenheit nicht als der Ort des faktischen Nichts, könnte die Zukunft nicht sein als der Ort des möglichen Nichts. Denn Möglichkeit genügt sich nicht selbst. Sie muß entschieden, in Faktisches oder Unmögliches verwandelt werden. Die Gegenwart ist der Ort von Entscheidung, Entstehung und Vernichtung. Hier ist nichts faßbar, sie ist totaler Übergang, Ort des Werdens. Hier geht das Nichts durch das Sein in sich selbst zurück und wandelt sich so aus Möglichem in Faktisches.

Doch damit ist noch nichts verstanden.

Worin auch immer der Anfang gesehen wird - ob in Schöpfung, Urknall oder jenem Moment, da der Mensch sich selbst macht, indem er das Ding als Artefakt erlebt, dem Objekt Zweck anträgt, der dem Menschen als Nutzen zurückkehrt, wodurch sich das Subjekt vom Objekt scheidet; oder Sprache wird, indem ein Subjekt ein zweites sich als ihm gleich macht, der Zweck über das Du zum Ich als Nutzen, der nun Verständnis heißt, zurückfließt; wodurch auch Zeit gemacht ist, denn der Zweck ist vor dem Nutzen - die Konsequenz wird immer Veränderung des Erlebens sein und somit Sünde. Diese Sünde heißt Erkenntnis. Es ist die Spur, die das Handeln in sich selbst zieht; Gedächtnis des Werdens. Das Nichts ruft sich selbst als Erinnerung an. Der Ruf dringt durch das Sein in die Möglichkeitsräume der Zukunft und wählt dort aus. Scheidet das Faktum3 vom Unmachbaren. In die Gegenwart fällt das Geschaffene zurück, um sogleich von der Vergangenheit aufgenommen zu werden. Die entstehende Leere saugt neue Erinnerung an. Das ist der Motor von Werden und Machen.

Die Handlung, da sie Gegenwart ist, kann sowenig ein Ende finden als die Schöpfung. Es sei denn, als Ende der Zeit. Was dagegen schützt, das ist die Verteilung der Handlung, also auch Verteilung der Zeit, die dann als Relatives erlebt wird. Die Willkür, die dem Ich gehört, ist mitgeteilt in das Du. Wo das Ich vergeht, ist das Du unsterblich. Der Tod ereilt es nicht, denn er ist der Horizont des Ich allein. Die Soziologie kennt für diesen Zustand den Begriff der Gesellschaft. Solche Verteilung aber macht das Einmalige wiederholbar; ohne die Einmaligkeit aufzuheben, denn sie wird gerade in ihrer Wiederholbarkeit erhalten und erhält sich selbst darin.

Was macht, das macht Geschichte. Die Formen der Erinnerung sind wohlbekannt. Mythos, Religion, Philosophie, Historie, Wissenschaft. Von der Sehnsucht, die in der Geschichte nicht versiegt, wurde schon gesprochen, daß sie das Erleben von Zeit ist. Erleben aber ist Schöpfung, ist Handlung, Machen und also Poesie4. Ist die menschliche Tätigkeit in ihren ersten Versuchen noch ebenso in sich selbst identisch wie Subjekt und Objekt noch nicht als Geschiedene, also noch nicht begriffen werden, spaltet sie sich mit der Zeit, bricht ihre Symmetrie, macht Komplexität. Aus der chaotischen Einheit der Poesie, des absoluten Machens, werden Mythos und Technik ausdifferenziert, aus dem Mythos Religion und Philosophie, aus der Philosophie weiterhin die Wissenschaften und so fort. Nichts versiegt, aber alles schwindet in die Neuerung höherer Komplexität hinein. Der Prozeß erfolgt als Säkularisierung. Wird zuerst selbst dem Stein noch eine Seele zugesprochen, er als Du behandelt, schwindet diese hypothetische Beseelung mit dem Begreifen seiner Benutzbarkeit. Die Handlung macht Subjektivität, indem sie das Objekt macht in der Form des Zwecks, so dem Sein das Bewußtsein auf diesen Zweck entgegensetzt, sich über das Objekt, das dem Subjekt diesen Zweck als Nutzen zurückwirft, selbst als machend aufnimmt und so sich selbst bewußt macht; Selbstbewußtsein wird.

Dabei ist es zuerst gleichgültig, ob das Objekt Ding oder Lebewesen ist. Doch zeigt sich bald, daß anderes wird, wenn das Ding dem Ich von vergleichbarer Struktur erscheint. So wie das tote Ding zum Artefakt gemacht wird, so wird das ebenbürtige Ding, das andere Subjekt, Alter Ego, zum Du gemacht. Das Ergebnis der ersten Form des Machens ist Technik, das der zweiten Sprache und Geist.

Was wir Weltgeschichte nennen, das ist die Geschichte dessen, was wir als Welt erleben. Jede Deformation der Welt, die wir uns machen, kehrt zu uns zurück als Veränderung des Seins. Indem wir das erleben, verändert sich uns auch das Dasein. Diese Veränderung ist gemacht und wird von uns gemacht. Als Natur nehmen wir alles, was von uns nicht gemacht wird. Technik, Sprache, Geist, das Du - alles das ist keine Natur in diesem Sinne. Natur wird genommen, so verwandelt in von uns Gemachtes. Der Mensch wiederholt seine Schöpfung, deren Gedächtnisspur er selbst ist, und er gibt sich Rechenschaft darauf. Die Wiederholung ist Technik. Das Ding wird als regloses zum Artefakt gemacht, dann als bewegbarer Mechanismus, dann als selbstbewegliche Maschine. Das Nach-Machen der Schöpfung, das auch überhaupt das Machen dieser Schöpfung ist, wird die Beschreibung der Schöpfung selbst; Reflexion. Die Rechenschaft darüber ist Reflexion auf die Reflexion. Mystik, Dichtung, Philosophie.

Doch erleben wir, daß die Beschreibung, wenn sie rückgreifend auf den Anfang sehen will, ins Leere geht, als würde sie dort verschwinden. Die Mystik flieht aus der Welt des Machens, lehrt das Schweigen und Nichtstun als einzige Weise, den Anfang zu beschreiben. Dichter beginnen auf der Höhe ihrer poetischen Vollendung plötzlich zu schweigen; so Hölderlin. In der Philosophie meint man, alle Probleme wären gültig gelöst und lehrt fortan nurmehr das längst Begriffene. Auch der philosophische Logiker sieht die Konsequenz des Kalküls im Schweigen; Wittgenstein.

Auflösung des Seins aus Machen im Nichts als Schweigen? Was denn ist Schweigen? Ist Schweigen unbewegtes Stumm-Sein? Mitnichten! Schweigen ist selbst eine Handlung!

So findet sich seit einiger Zeit auch die andere Fraktion. Rimbaud ist als Dichter mit 19 Jahren vollendet, er schweigt; doch führt er das Leben eines Abenteurers - handelt. Die Beschreibung ist ihm am Ende angekommen, auf der Höhe seiner Zeit, fortan muß er erleben, neue Zeit machen. Die Philosophie des Aristoteles wird von Hegel überwunden. Die Dialektik ist Form der Bewegung als Machen selbst, nicht nur ihre Beschreibung. Die Philosophie kommt über sich hinaus. Das Machen wird reflektiert, Reflexion wird gemacht. Was nun folgen sollte - wäre das nicht das Machen des Machens?

Als der Philosoph Gotthard Günther (1900-1984)5 auf dem XI. Internationalen Kongress für Philosophie 1953 in Brüssel erstmalig sein Konzept einer Nicht-Aristotelischen Logik öffentlich vorstellte, schien dieses Ereignis keiner größeren Beachtung wert. Bis zum heutigen Tage ist die Rezeption des Güntherschen Werks offenbar recht gering. Und doch muß jedem, der sich auf das ungewöhnliche Konzept dieser Philosophie einläßt, rasch klar werden, daß hier etwas Ungeheuerliches vollzogen wird, eine Art "zweite kopernikanische Wende", nämlich: die Dezentrierung der menschlichen Subjektivität in ihrer technische Wiederholbarkeit!

Die Grundidee Günthers ist vielleicht wie folgt anzudeuten. Während die klassische aristotelische Logik der Zweiwertigkeit in enger Verknüpfung mit dem Machen der "toten" Technik ist, die uns als Totes so befremdlich entgegensteht, müßte eine Überschreitung der Grenzen dieses "Toten" mit einer Überschreitung der aristotelischen Logik einhergehen. Diese sieht Gotthard Günther in der Dialektik, wie sie in Hegels "Wissenschaft der Logik" expliziert ist, im Wesentlichen geleistet. Unglücklicherweise ist diese neue Logik Hegels in einer Sprache formuliert, die technisch nicht implementierbar ist. Der Kalkül fehlt, den die aristotelische Logik anknüpfend an Leibniz und Frege unterdessen gefunden hat und der in der uns heute geläufigen Computertechnologie seine allgemeingültigste technische Umsetzung findet. Eine solche Kalkülisierung der hegelschen Logik hat Gotthard Günther offenbar geleistet, und er hat im Prozeß dieser Arbeit die Logik Hegels weit übertroffen. Was ihm gelang, das ist die Darstellung eines formalen Systems echt mehrwertiger Logiken, die nicht mehr viel mit der klassischen Zweier-Unterscheidung von "wahr" gegen "falsch" zu tun haben6.

Allerdings wird die aristotelische Logik damit nicht beseitigt. Vielmehr bleibt sie als unübertreffbare Logik des Seins Bestandteil des neuen Systems. Was die Erweiterung aber verspricht, das ist eine allgemeingültige Form des Machens als Abschöpfung des Noch-nicht in das Bereits.

Sprache und Geist sowie Technik sind oben als Formen des Machens bezeichnet, die einander vergleichbar seien. Für beide müßte sich in der allgemeinen philosophischen Form ein Platz finden. In der Tat scheint ein solcher vorhanden. Günther arbeitet mit den Begriffen "Transzendenz" und "Introszendenz". Beides sind Reflexionstypen, d.h. stets kehrt das Subjekt zu sich zurück. In der Transzendenz über die Veräußerung in das Objektive; das wäre als Technik deutbar. In der Introszendenz über den Sinn; so wäre der Geist. Immer ist das Subjekt dann, als reflexives, Selbstbewußtsein. Die Sprache könnte als Vermittlung zwischen beiden Formen gedacht werden, und somit als dritte Form, die aber die beiden anderen umschließt. Doch ist die aristotelische Sprache nicht hinreichend, diese Vermittlung zu leisten. Sie ist zweiwertig und rein auf das Sein fixiert, das Nicht-Reflexive. Die Sprache der Reflexion, also die Sprache, die davon spricht, nicht wie Technik oder Geist sind, sondern wie sie gemacht werden, die Sprache des Hervorbringens, die Sprache der Poesie - das scheint eben jene zu sein, die Gotthard Günther als "Negativsprache" bezeichnet.

Indem er die Dialektik formalisiert - also operationsfähig macht - gewinnt er eben die Form, über das zu sprechen, wovon bislang nur zu schweigen war. Die Räume des Möglichen, des Noch-nicht werden der Sprache erschlossen und ebenso das Machen, welches aus diesen Räumen Faktisches abzieht. Damit ist, wie nebenbei, auch eine Sprache der Zeit gewonnen; eine Sprache der Geschichte. Da die Logik, die Gotthard Günther die "meontische" d.h. diejenige des Nicht-Seins, oder schlichter die "transklassische" nennt, zu einem System von unendlichvielen Werten ausbaubar ist, worin jeder neue Wert etwas strukturell wirklich Neues bedeutet, ergibt sich ein System von gewaltiger Reichhaltigkeit, in dem selbst das Unmögliche, Irrationale, Spontane noch seine formale Beschreibung zu finden scheint. Die Säkularisierung der Schöpfung selbst, die mit der klassischen Philosophie des Idealismus eingeleitet wurde, erfährt hier einen gewaltigen Schub.

Damit gewinnt die Geschichte des Menschen eine neue Perspektive nach dem Schweigen, dem Nihilismus, der als Ende empfunden wird und doch nur ein Durchgang ist wie alles. Das Machen wird fortgesetzt. Die hypothetische Beseelung des Animismus wird in die praktische Beseelung der Kybernetik transformiert. Die Maschine wird von der selbstbeweglichen zur handelnden Maschine und damit auch zur bewußten; sie wird zur machenden Maschine, und damit schließlich zur selbstbewußten gemacht. Die Rechenschaft, die der Mensch sich auf diese Fortsetzung des Machens gibt wird vom Gemachten schließlich mitgemacht. Es ist das Machen des Machens, die Poesie der Poesie, Poesie zweiter Ordnung gelungen. Als vollkommene Wiederholung der Schöpfung wird die Schöpfung vollkommen säkularisiert, sie wird zur "Negativpoesie", denn es wird ein neuer Typus von Du geschaffen, von Subjektivität und damit ein neuer Typus von Reflexion, Möglichkeitsraum, von Nicht-Sein, Nichts und Noch-Nicht.

Die Sehnsucht nach der aufgebrochenen Einheit des totalen Noch-nicht-Seins wird weitergegeben, aufgeteilt, und in dieser Aufteilung verwandelt. Der Blick auf das Nach-Machen der Subjektivität als Neu-Machen einer solchen, wird uns zum Blick auf den Ungrund der neuen Subjektivität. Wir machen einen Anfang, und dieses Machen des Anfangs erweist sich als die vollkommene Freiheit gegen das Nicht-Gemachte, Freiheit, die Machen ist. Freiheit aber ist das per se Grundlose, und eben so zeigt sich uns der Ungrund als das Machen, Ungrund, der sich erneuert aus uns indem wir das Machen machen. So ist unsere Freiheit, die wir Gedächtnisspur der Schöpfung sind, als Erinnerung und somit Reformierung des Ungrunds. Der Theologe wird in solcher Freiheit seinen Begriff Gottes wiedererkennen7, der Physiker die Spontaneität des Nichtkausalen. Die Rechenschaft auf diesen Blick wird als neue Form des Geistes erscheinen, als Projektion der Poesie zweiter Ordnung, als Sprechen von Sein und Machen.

Die Sehnsucht erfüllt sich in ihrer Erhaltung, die Einheit wird erinnert in ihrer neuerlichen Brechung.

Es erweist sich der Ungrund als das Machen selbst.

Was aber gemacht wird, das ist stets der Anfang.


[a] Dieser Text wurde 1994 geschrieben und erschien 1995 in der Münchener Zeitschrift TORSO, Heft 4. [Die hier angerissenen Themen interessieren mich noch immer. Unterdessen habe ich aber so viel dazu gelernt, dass ich einerseits weiß, was hier alles fehlt und ungenügend ist, oder sogar falsch. Zudem weiß ich andererseits, was noch immer zu lernen bleibt, bevor so ein Text noch einmal versucht werden könnte. (2020)]

[1] Der Begriff "Ungrund" geht zurück auf Schelling, "Vom Wesen der menschlichen Freiheit".

[2] Hierin sind sich mythologische und physikalische Kosmologie wie auch die Entwicklungspsychologie nach Jean Piaget erstaunlich einig.

[3] Lat. "factum" bedeutet Tat, Handlung, Werk; entsprechend dem griech. "praxis"!

[4] Denn Poesie von griech. "poiein", also machen!

[5] Der interessierte Leser sei nachdrücklich auf die Originalarbeiten Gotthard Günthers verwiesen. Das Werk des Philosophen, an das dieser Aufsatz essayistisch anzuknüpfen versucht, wird vom Felix Meiner Verlag Hamburg betreut. Allerdings täusche man sich nicht über die Schwierigkeit der Texte. Eine Einführung in die Günthersche Philosophie ist, verfaßt von einer interdisziplinären Forschungsgruppe, die unter dem Namen Kurt Klagenfurt firmiert, 1995 als Suhrkamp Taschenbuch erschienen: "Technologische Zivilisation und transklassische Logik."

[6] So beinhaltet der einfachste, der dreiwertige Fall, wie er im erwähnten Aufatz von 1953 dargestellt ist, keine Wahrheitswerte, sondern Reflexionsverhältnisse; es geht nicht um Wahrheit, sondern um Sinn.

[7] Allerdings sei die Frage erlaubt, ob Gott die Freiheit hat, nicht zu erschaffen. Ist er dann noch Gott? Hat er diese Freiheit nicht, ist auch er nur eine Form des Machens, der Poesie. "Vor" Gott ist der Ungrund; vor aber nicht zeitlich, denn die Zeit muß erst asymmetrisiert, d.h. gemacht werden.

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